Dienstag, 30. Oktober 2018

"Worte, die man mir nicht sagt - Mein Leben mit gehörlosen Eltern" von Véronique Poulain

Es ist eines meiner Lieblingsbücher, in unserem Bücherschrank, zu Hause. Heute möchte ich etwas mehr darüber berichten & diese tolle Geschichte etwas näher vorstellen. ;)

Kurz zur Handlung:
Véronique Poulain erzählt über ihr Leben mit gehörlosen Eltern. Angefangen mit den Erzählungen von bestimmten Ereignissen, welche vor ihrer Geburt statt fanden, wie zum Beispiel der Kindheit oder dem Kennenlernen ihrer Eltern, über ihre Pubertät & bis zu ihrem heutigen Leben als Ehefrau & Mutter.
Das Leben mit gehörlosen Eltern stellt Véronique täglich auf die Probe. Sie ist ständig gefangen zwischen Stolz & Scham. Einerseits findet sie es toll, dadurch manchmal im Mittelpunkt der Öffentlichkeit zu stehen & sich mit ihren Eltern in Gebärdensprache zu unterhalten oder den Dollmätscher spielen zu können, weil sie sich dabei ziemlich wichtig vorkommt. Andererseits ist sie ständig genervt von dem Schmatzen, Pupsen & dem lauten Sex ihrer Eltern, da sie keinerlei Geräusche, die sie von sich geben, selbst wahrnehmen können. Morgens machen sie schon früh lauten Krach, in der Küche, während sie noch schlafen möchte & ständig muss sie ans Telefon oder zur Tür, weil ihre Eltern das Klingeln nicht hören können. 
Gleichzeitig berichtet sie in ihrem Buch auch über die Entwicklung der internationalen Gebärdensprache, wie sie heute bekannt ist, an der ihre Eltern & ihr gehörloser Onkel, beteiligt waren. 
 
Die Geschichte ist so echt, weil die Autorin auch gleichzeitig die Hauptprotagonistin dieses Romans ist, was bedeutet, dass dieses Buch auf einer wahren Begebenheit beruht. Und natürlich fand ich es großartig, dass das Ganze in Frankreich statt findet, weil ich Frankreich über alles liebe.
Ich liebe auch den Schreibstil der Autorin sehr. Die knappen, präzisen Sätze, die Sachlichkeit & all die Ehrlichkeit. Einige Kapitel bestehen nur aus 3- 4kurzen Sätzen, mit denen sie alles wichtige exakt auf den Punkt bringt. Zum Beispiel steht auf der ersten Seite bzw. im ersten Kapitel lediglich: "Meine Eltern sind taub. Taubstumm. Ich nicht.". Etwas später erklärt sie, dass sie dadurch zweisprachig & in zwei Kulturen aufwächst. Es komme ihr manchmal so vor, als würde sie ständig zwischen zwei verschiedenen Welten navigieren: dem gesprochenen Wort & der Gebärde. 
An den Stellen, an denen sie teilweise ein extrem furchtbares Verhalten an den Tag legte & ihre Eltern beleidigte & sich vor ihren Freunden für ihre Familie geschämt hat, habe ich mir nie gedacht: "Oha was für ein unverschämtes Görr!". Ich konnte mir wirklich sehr gut vorstellen, wie schwierig so ein Leben Tag für Tag für ein Kind sein muss & dass man es irgendwann satt hat immer ganz anders zu sein als der Rest. Immerhin ist ihr Alltag von einer schwerwiegenden Behinderung gleichzeitig beider Eltern geprägt. Zusätzlich wird das Ganze noch dadurch erschwert, dass sie selbst nicht von dieser Behinderung geprägt ist & ich finde, dass sie dafür den maximalsten Grad an Verständnis ihren Eltern entgegen bringt. 
Ich habe durch dieses Buch so viel über Taubstumme gelernt, wie ich es wahrscheinlich durch keine Doku oder ähnliches hätte lernen können. Währenddessen ist mir bewusst geworden, dass man sich viel zu wenig, bis gar nicht mit solchen Themen beschäftigt. Man nimmt als hörender Mensch alles als eine völlige Selbstverständlichkeit hin. Ich habe mich zum Beispiel nie gefragt wie es wohl sein muss, wenn man überhaupt gar keine Musik wahrnehmen kann & dementsprechend gar nicht verstehen kann was das sein soll. Übrigens fand ich es großartig, dass Véroniques Mutter ihr ein Klavier schenkt & sich immer neben sie hinsetzt, während sie darauf spielt, obwohl sie die Klänge des Instruments, den ihre Tochter erzeugt sowieso nicht wahrnehmen kann. Sie macht es einfach ihrer Tochter zu liebe. Solche Textstellen haben mich fast zu Tränen gerührt. 
Auch habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, dass Stumme ganz wohl die Fähigkeit zu Sprechen haben, doch die Worte ganz seltsam auszusprechen, weil sie einfach nicht hören können, wie etwas richtig ausgesprochen wird. Stattdessen versuchen sie die Worte von den Lippen ihres Gegenübers abzulesen & versuchen genauso zu reden. Interessant fand ich auch die Stelle, wo Véronique erzählt, dass sie sich manchmal über den Lichtschalter verständigen, weil sie ihre Eltern nicht anders rufen kann & durch das Ausschalten des Lichts werden sie eben nicht akustisch, sondern visuell gerufen. 
Auch hatte ich keine Ahnung, dass taube Menschen trotzdem Auto fahren dürfen. Ich stelle mir das Ganze äußerst problematisch vor, wenn man nicht einmal die Sirenen der Polizeiautos oder des Krankenwagens wahrnimmt.
Ich könnte noch ewig über diese Geschichte erzählen, jedoch möchte ich nicht noch mehr vorweg nehmen. Im Großen & Ganzen ist es extrem informativ & hat einen enormen Mehrwert für den Leser. Außerdem wird die Familie einem sehr schnell vertraut & man taucht gerne Mal in die Welt der Gehörlosen, während man dieses Buch liest & umso dankbarer ist man im nachhinein für das was man hat. 

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