Freitag, 23. September 2016

"Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte" von Rachel Joyce

Nun habe ich mich doch dazu entschieden meinen Senf zu diesem Buch dazuzugeben. Ich habe ja bereits in einem früheren Artikel, in dem ich euch meine zuletzt gelesenen Bücher vorgestellt habe, erwähnt, dass dieses Buch eine große Enttäuschung für mich war. Warum das so ist & was genau mich an diesem Roman enttäuscht hat, werde ich versuchen hier ausführlich zu erläutern. 

Zur Handlung:
Byron & James sind beste Freunde & besuchen eine Eliteschule. Von James weiß Byron, dass die Regierung in diesem Jahr zwei Sekunden hinzufügen wird, um die Erdrotation & die Zeitrechnung wieder in Einklang zu bringen. Von da an fängt Byron an sich Sorgen zu machen & ist fest davon überzeugt, dass in naher Zukunft etwas Schlimmes geschehen wird. Nur kurze Zeit später fährt seine Mutter Diana ihn & seine kleine Schwester zur Schule. Wegen dem starken Nebel fährt Diana aus Versehen ein kleines Mädchen auf einem roten Fahrrad an & bemerkt es nicht. Byron kann es nicht fassen, was seine Mutter da getan hat & spricht sie nach wochenlangem Schweigen voller Angst & Schuldgefühle darauf an. Obwohl sich Diana nicht an den Unfall erinnern kann, nimmt sie, gegen den Willen ihres dominanten Ehemannes, Kontakt zur Familie des scheinbar verletzten Mädchens auf. Daraufhin wird Diana aufgrund ihrer Gutmütigkeit schamlos von der Mutter des kleinen Mädchens ausgenutzt & Byron bleibt nichts anderes übrig als tatenlos zuzusehen wie seine Mutter zum Spielball der nächsten Ereignisse wird. Obwohl er James alles anvertraut & sie mit "Operation Perfekt" beginnen, gelingt es ihnen nicht Diana vor der manipulativen Beverly zu retten. 
Vierzig Jahre später wird der einsame Zwangsneurotiker namens Jim aus der Psychiatrie entlassen & in einem Supermarkt-Café eingestellt. Anfangs ist Jim mehr als überfordert mit seinem neuen Leben, doch dann nehmen die Ereignisse seinen Lauf & man erfährt immer mehr aus seiner geheimnisvollen Vergangenheit. 
Die Idee finde ich großartig. Auch die einzelnen Charaktere fand ich interessant. Die einen waren mir sehr sympathisch, die anderen umso weniger wie zum Beispiel Byrons Vater oder die Frauen, die sich immer regelmäßig im Café getroffen haben, nur um über jemanden zu lästern.
Zu den sympathischen haben für mich eindeutig Byron selbst & seine Mutter  gehört. Diana ist eine so starke & großherzige Frau. Man kann sie schon beinahe als alleinerziehend bezeichnen, da ihr Ehemann nur an Wochenenden heim kommt. Wenn er da ist, ist er der Oberhaupt der Familie & triezt sowohl sowohl seine Ehefrau als auch seine Kinder permanent. Alles muss nach seiner Pfeife tanzen. Zudem ist ihm auch die Meinung anderer Leute extrem wichtig. Egal ob Haus, Garten oder Auto. Alles muss in bester Ordnung & jederzeit vorzeigbar sein. Interessant wird es erst als Diana anfängt sich zu verändern & sich plötzlich nicht mehr von jedem rumschubsen lässt. Auf den Mütterversammlungen, die Diana nur widerwillig besucht, fasst sie immer mehr Mut zusammen & äußert laut ihre Meinung, obwohl diese allen anderen Meinungen widerspricht. Auch fängt sie an ihren Mann zu belügen & freundet sich mit Beverly aus einer sehr heruntergekommenen Gegend an, obwohl sie weiß, dass ihr Mann diesen Umgang nicht billigen wird. Zudem fängt sie an Geld für Dinge auszugeben, die sie ihrem Mann ebenfalls verschweigt. Es wird immer mehr deutlich, dass sie aus ihrem bisherigen Leben als ungebildete Hausfrau & Mutter, die stets zu schweigen hat, während ihr Mann redet, ausbrechen möchte, weil sie diesen Zustand nicht mehr länger aushält. Auch wird nebenbei erwähnt, dass sie wohl eine schwierige Vergangenheit hat, für die sie sich schämt & die sie nur Beverly allein anvertraut. Obwohl mir Beverly als Persönlichkeit sehr unsympathisch rüberkommt, konnte ich sie in gewisser Weise verstehen, da sie aus sehr armen Verhältnissen kommt & sich somit zum zum ersten Mal in ihrem Leben jemand für sie interessiert hat  Es war mir bereits sehr früh klar, dass ihre Tochter nach dem Unfall keine ernsthaften Verletzungen davongetragen hat & von den Eltern das Gegenteil behauptet wird, damit sie so an Dianas Schuldbewusstsein appellieren & sich in ihrem Haus einnisten können. 
Byron & sein Freund James waren mir anfangs sehr sympathisch. Allerdings ändert sich ihr Verhältnis im Laufe der Geschichte immer mehr zum Negativen. Ich fand es auch unmöglich, dass Byron sich permanent für seine Mutter geschämt hat. Entweder war sie ihm oft zu unintelligent oder er wünschte sich, sie würde aufhören ihre Meinung vor all den anderen Müttern zu äußern & stattdessen zu allem was auf den Versammlungen besprochen wird Ja & Amen sagen. In solchen Momenten war er seinem Vater sehr ähnlich, der sich ebenfalls oft für Diana geschämt hat. 
Die Geschichte über Jim, die parallel erzählt wurde, fand ich irgendwie von Anfang an nicht besonders interessant. Jedoch war ich mir sehr sicher, dass beide Geschichten irgendwann im Buch zu einer verschmelzen. Dass Byron & Jim zwei völlig voneinander unabhängigen Charaktere, die in verschiedenen Welten oder Zeitepochen leben, durch das Zeitproblem irgendwann zueinander finden & gemeinsam versuchen ihre Welten zu retten. Doch damit lag ich nicht mal annähernd richtig. Statt einem spannenden Abenteuer hat die Autorin sich für einen extrem langweiligen Verlauf entschieden, in dem sie einfach über das spätere Leben der einzelnen Charaktere berichtet hat. Es wurde weder auf die zwei fehlende Sekunden eingegangen, noch auf Pamelas Lüge um Jinnis Knieverletzung, die dank Byron aufgeflogen ist. Alles was im Laufe des Romans geschah wurde einfach unter den Tisch fallen gelassen. 
Außerdem hat mich das unrealistische Handeln der einzelnen Charaktere sehr gestört. Ich dachte beim Lesen permanent "So würde doch kein normaler Mensch reagieren.".
Meiner Meinung nach war das Ende mehr als enttäuschend. Die Geschichte hatte so viel Potenzial, welches leider überhaupt nicht genutzt wurde. Als die Story zu Ende ging, dachte ich mir nur "Das soll es gewesen sein?".
Besonders schade fand ich es, weil mir der Schreibstil der Autorin sehr gut gefallen hat. Sie hat es immer wieder geschafft mit ein paar Worten Bilder in meinem Kopf entstehen zu lassen, was ich als großes Talent bezeichnen würde. Doch selbst der wundervolle Schreibstil konnte das Ruder zum Ende hin nicht mehr rumreißen. 
Eigentlich habe ich vor gehabt noch ein paar weitere Bücher von der Autorin zu lesen, wie zum Beispiel "Die unwahrscheinliche Pilgerreise von Harold Fry" oder "Der nie abgeschickte Liebesbrief an Harold Fry", aber nach dieser Enttäuschung werde ich mir das Ganze noch einmal überdenken. 

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